Volkstrauertag in Landsberg: „Haben wir nichts gelernt?“

Volkstrauertag Landsberg 2024
Bildrechte Thorsten Jordan

Das Landsberger Tagblatt berichtet: Der Volkstrauertag wird vor der Katharinenkirche begangen. Vertreter aus Politik, Zivilgesellschaft und Kirchen gedenken den Opfern von Krieg und Tyrannei.

Jedes Jahr findet am zweiten Sonntag vor dem ersten Advent der Volkstrauertag statt. Am Sonntagvormittag wurde auch in Landsberg wieder den weltweiten Kriegstoten und Opfern von Gewaltherrschaft mit Gebeten, Gesang und Kanonenschüssen gedacht.

Gegen 10.45 Uhr positionierten sich hierfür vor der Katharinenkirche Vertreter aus Stadtpolitik und Zivilgesellschaft. Zu Ehren der Kriegstoten und der Opfer von Gewaltherrschaft nahmen das Bayerische Rote Kreuz, das THW sowie die Bundeswehr und die Freiwillige Feuerwehr Landsberg wieder mit Ehrenformationen an der Gedenkfeier teil. Traditionsvereine mit Fahnenabordnungen und Mitglieder der Vertriebenenverbände sowie der Soldaten- und Kriegervereine waren ebenfalls vertreten. Musikalisch wurde die Feierlichkeit von der Stadtkapelle Landsberg umrahmt. Die Katharinenstraße wurde dazu während der Feierlichkeiten gesperrt.

Evangelischer Pfarrer erinnert zum Volkstrauertag an Dietrich Bonhoeffer

Der Veranstaltung ging ein Gottesdienst in der Katharinenkirche sowie in der evangelischen Christuskirche voraus. Die ökumenische Gedenkfeier vor der Katharinenkirche wurde von den Pfarrern Thomas Lichteneber und Gregory Herzel gestaltet.

Krieg in der Ukraine und in Nahost: Im Zuge von etlichen Krisen stellte Lichteneber folgende Frage: „So viel Leid, Schmerz und Kummer: Haben wir nichts gelernt?“ Der Volkstrauertag soll laut Lichteneber dazu beitragen, dass die Bevölkerung empfindsam bleibt und nicht resigniert. Der evangelische Pfarrer erinnerte an den Theologen Dietrich Bonhoeffer, der Teil des deutschen Widerstands gegen den Nationalsozialismus war und auf Befehl Hitlers erhängt wurde. Dieser habe gesagt und mit seinen Taten gezeigt, dass sich Christen für Menschen in Not einsetzen sollten: „Raus aus der Kirchenmauer, rein zu den Hilfesuchenden“, so Lichteneber. Und weiter: „Jeder kann etwas tun, damit die Gespenster der Vergangenheit uns nicht einholen.“ Doch eins sei klar, betonte der Pfarrer: Die Gesellschaft werde immer wieder scheitern. Und es gebe nicht nur schwarz und weiß: „Lasst uns auch auf die Zwischentöne achten.“

Es folgten ein Vaterunser, geleitet vom katholischen Pfarrer Gregory Herzel, und das Singen der Nationalhymne. Danach legten der Oberstleutnant der Welfenkaserne, Bernd Herrmann, sowie Landsbergs Oberbürgermeisterin Doris Baumgartl Kränze in der Kriegergedächtniskapelle nieder.

Von Vanessa Polednia | 17.11.24, 13:00 Uhr

 


 

LESERBRIEF zu „Volkstrauertag in Landsberg: Haben wir nichts gelernt?“, LT 18.11.2024

Ja, „die Gespenster der Vergangenheit“, die sich seit geraumer Zeit wieder der Gegenwart bemächtigen, waren deutlich zu spüren bei der diesjährigen Feier zum Volkstrauertag in Landsberg. Nicht nur, als an diesem kalten Novembertag der Wind Blätter über die Straße blies und zeitweise schwarze Vögel am Himmel kreisten. Sondern vor allem angesichts der beiden nahen Kriege in der Ukraine und in Nahost, auf deren „Leid, Schmerz und Kummer“ der evangelische Pfarrer in seiner Ansprache hinwies. Er zitierte auch die berühmten Worte Bonhoeffers, „dem Rad in die Speichen fallen“ - was eben mehr bedeutet, als sich um die Opfer/“Hilfesuchenden“ zu kümmern, sondern die Aufforderung beinhaltet, ggf. korrigierend in die Politik einzugreifen. Und offenbar sind wir heute wieder in so einer Situation, wo Staaten meinen, geopolitische Probleme mittels Kriegen(!) klären zu können. 

Von daher wäre es gut gewesen, man hätte über die genannte Metaphorik hinaus auch konkret die Erklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen von 1948 angesprochen, dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll (siehe unten). Denn die Frage „Haben wir nichts gelernt?“ muss ja wohl leider negativ beantwortet werden. Und so ist zu befürchten, dass wir erneut nur rückwärts verstehen werden, was wir vorwärts (falsch) zu leben im Begriffe sind (nach dem dän. Philosophen Søren Kierkegaard, in der Ansprache von Pfr. Lichteneber auch zitiert).


Erklärung der 1. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen, 1948 in Amsterdam:

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein

Krieg als Methode zur Beilegung von Konflikten ist unvereinbar mit den Lehren und dem Beispiel unseres Herrn Jesus Christus. Die Rolle, die der Krieg im heutigen internationalen Leben spielt, ist Sünde wider Gott und eine Entwürdigung des Menschen.

Gerade jetzt sieht sich die Christenheit vor besonders akute Fragen in Bezug auf den Krieg gestellt. Denn die Art, Krieg zu führen, hat sich sehr verändert. Wir haben jetzt den totalen Krieg und jeder Mann und jede Frau wird zum Kriegsdienst einberufen. Dazu kommt der ungeheure Einsatz der Luftwaffe und die Entdeckung der Atombombe und anderer
neuer Waffen. Dies alles führt dazu, dass einem modernen Krieg unterschiedslose Zerstörungen in einem Umfang innewohnen, wie sie die Welt bei früheren Kriegen nicht gekannt hat.

Die herkömmliche Annahme, dass man für eine gerechte Sache einen gerechten Krieg mit gerechten Mitteln führen könnte, ist unter diesen Umständen nicht mehr aufrechtzuerhalten. Es mag sein, dass man auf Mittel der Gewalt nicht verzichten kann, wenn das Recht zur Geltung gebracht werden soll. Aber ist der Krieg erst einmal ausgebrochen, dann wird Gewalt in einem Ausmaß angewandt, das die Grundlage des Rechts zu zerstören droht.

Jürgen Karres

 


 

Hier können Sie die Rede von Pfarrer Thomas Lichteneber herunterladen: